GEDANKENSPLITTER

Ökumene – auf dem Fundament von

gegenseitiger Achtung und Vertrauen

Erste wirkliche Ökumene-Erfahrungen machte ich mit 23 Jahren in Jerusalem: Am Theologischen Studienjahr der katholischen Dormitio-Abtei studierte ich 1991/92 mit Studierenden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz – die Hälfte gehörten zur lutherischen oder reformierten Tradition. Die persönliche Beziehung zu den Kommilitoninnen und Kommilitonen, unsere intensiven Gespräche, die gemeinsamen liturgischen Erfahrungen weckten in mir Interesse, Offenheit und Vertrauen. In der «Gebetswoche für die Einheit der Christen» – die auch heuer vom 18. bis 25. Januar begangen wird – erlebte ich die farbenfrohe und facettenreiche «Jerusalemer Ökumene»: jeden Abend hat eine andere Konfession/Denomination zu Gebet und Begegnung «zu sich nach Hause» eingeladen, Armenier und Maroniten, Griechen und Melkiten, Äthiopier und Lutheraner, Anglikaner und Lateiner…

Dieses Jahr – 1700 Jahre nach dem ersten ökumenischen Konzil von Nizäa – steht die Gebetswoche unter dem Motto «Glaubst du das?», das Bezug nimmt auf den Dialog zwischen Jesus und Martha nach Lazarus’ Tod im Johannes-Evangelium (Joh 11,26). Nehmen wir die sogenannte «Einheitswoche» zum Anlass, in unseren Gottesdiensten, Veranstaltungen und Begegnungen all das viele und wesentliche (!) zu bekennen, zu teilen und zu feiern, das uns trotz aller Unterschiede und Unklarheiten über die konfessionellen Grenzen hinweg miteinander verbindet. Dabei dürfen wir uns dankbar bewusstwerden, dass wir auf dem Weg zur Einheit in den vergangenen Jahrzehnten eine eindrückliche Wegstrecke zurückgelegt haben.

Übrigens, die intensive Ökumene-Erfahrung aus meinem Jerusalem-Jahr hat mich fürs Leben geprägt und mir – bis heute – die Gewissheit geschenkt, dass viele Unterschiede überwunden werden können, wenn wir uns auf dem Fundament von gegenseitiger Achtung und echtem Vertrauen begegnen. Eine Erfahrung, die mir heute auch in der herausfordernden «innerkatholischen Ökumene» Kraft, Mut, Zuversicht und Ausdauer schenkt… auf dass wir alle eins werden! 

Boris Schlüssel, Kaplan